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Herzergreifende Begegnung unter Betroffenen

Kinderherz: Leben retten, angespannte Situationen verbessern

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…Und hier unten folgt der Artikel aus der „Dolomiten

Die Corona-Pandemie führt nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Medizin zu zahllosen Kollateralschäden, ist sich Ulrich Seitz, der Präsident der Vereinigung Kinderherz sicher. Diese entstehen auf ganz unterschiedlichen Wegen. Zum einen durch die Angst, die das neue Virus verbreitet, zum anderen durch die wirtschaftlichen und psychosozialen Folgen, die aus den gegen die Seuche ergriffenen Maßnahmen resultieren – und schließlich, doppelt indirekt, weil manche Patienten in diesen Tagen ihre Arzttermine nicht wahrnehmen.

Jüngst warnte daher sogar die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) vor den „Stillen Opfern“ durch Sars-CoV-2. „Viele Patienten scheuen sich aus Angst vor einer Infektion mit Covid-19, ärztliche Einrichtungen aufzusuchen“, sagte ein hochrangiger Experte der angesprochenen Fachgesellschaft, so Seitz.

Viele Chronisch Kranke, auch hierzulande wollen nun den Ärzten nicht zur Last fallen. Was sich nun nach dem wochenlangen „Lock-Down“ zeigt, ist, dass gerade Menschen mit chronischen Krankheiten oft den regelmäßigen Kontakt zum Arzt bräuchten, damit vor allem eine gewisse Therapietreue sowie Sicherheit in der Behandlung aufrecht erhalten werden kann. Ulrich Seitz, der Präsident der Vereinigung Kinderherz, die sich für die Belange der Menschen mit einem angeborenen Herzfehler einsetzt, zeigt sich sehr besorgt über verschiedenste Schwierigkeiten, die bei der Betreuung von Menschen mit Herzerkrankungen, längerfristig auf Südtirols Betroffene zukommen. Wir haben gerade in diesen Wochen eine Vielzahl von Fragen zu den Risiken der COVID-Erkrankung bei Patient*innen mit angeborenen Herzfehlern bekommen.  Die große Sorge vieler Patient*innen und/oder ihrer Angehörigen können wir sehr gut verstehen.  Die wissenschaftliche Datenlage zum SARS CoV-2 Virus bzw. zur COVID-Erkrankung ist noch sehr unzureichend. Ein angeborener Herzfehler war Jahrzehnte lang eine der häufigsten Ursachen für den Kindstod. Dank des medizinischen Fortschritts hat sich das verändert. Weit über neunzig Prozent der Kinder mit einem angeborenen Herzfehler führen heute nach der Korrektur ein weitgehend normales Leben. Der Übergang ins Erwachsenenalter, auch Transition genannt, stellt Ärzte und Patienten jedoch vor neue Herausforderungen. Und hier werden auch hierzulande evidente Schwierigkeiten offensichtlich: In der medizinischen Versorgung klaffen Lücken. Menschen mit angeborenem Herzfehler nehmen ihre Leistungsfähigkeit ganz anders wahr als Menschen, die den Unterschied zwischen gesundem und krankem Herzen erfahren. Sie bringen auch körperlich ganz eigene Voraussetzungen mit.  Fast zwei Drittel der Patienten lässt sich auch im Erwachsenenalter weiterhin vom Kinderkardiologen behandeln. Die Behandlungsmethoden für Kinder mit angeborenen Herzfehlern sind ausgereifter als die für Erwachsene.  Das stellt Erwachsenenkardiologen und Internisten vor neue Herausforderungen, denn sie waren früher seltener mit angeborenen Herzfehlern konfrontiert. Den in Herzangelegenheiten erfahrenen Kinderkardiologen fehlt dagegen meist die Erfahrung mit typischen Gesundheitsproblemen von Erwachsenen, wie Bluthochdruck oder Erkrankungen der Herzkranzgefäße. Ein Dilemma, denn „die betreuenden Ärzte sollten sich in beiden Gebieten auskennen“, so der Wunsch von „Kinderherz“.

Mit Besorgnis schaut Kinderherz dem akuten Fachärztemangel entgegen, der nun in Südtirol bei der Betreuung auf dem Gebiet der Kinderkardiologie schon seit vielen Jahren traurige Gewissheit ist. Es ist kein Nachwuchs in Aussicht, und zudem wird die eh schon sehr komplizierte Vorgangsweise für Überweisungen von Südtiroler Patienten in hoch spezialisierte Zentren ins Ausland, nun noch durch die akute Corona-Epidemie weiters erschwert. Keine rosigen Aussichten also, so Seitz.

Es gibt aber auch sehr Erfreuliches in diesen harten Wochen und Monaten, wie beispielsweise diese Begegnung beweist:

Im Alter von nur 21 Jahren ist im Jahre 2017, Laura Randi an Leukämie verstorben. Ihre Familie hat nun, auch aufgrund des spezifischen Wunsches ihrer Tochter, ganz besondere Hilfsaktionen für schwerkranke Kinder ins Leben gerufen. Zu diesem Zweck wurde der Verein „Luce Mia“ ins Leben gerufen. Genau 3 Jahre nach dem Tod von Laura, übergaben Mutter Wilma und Vater Marco Randi, gemeinsam mit ihrem Sohn Luca, einer Delegation des Vorstandes der Vereinigung Kinderherz mit Präsident Ulrich Seitz an der Spitze, mehrere dringend benötigte medizintechnische Geräte des Typs „Pulsoximeter“.  Das Zusammentreffen war sehr emotional, denn alle Anwesenden waren sich einig, dass das gegenseitige Dasein und Unterstützen von betroffenen Familien, die mit dem schweren Schicksalsschlag einer unheilbaren oder lebenslangen Krankheit fertigwerden müssen, eine ganz besondere Herausforderung für alle Involvierten darstellt. Bei der Spende der zitierten Gerätschaften durch Familie Randi handelt es sich um medizinische Apparate, die zur Messung des Pulses und der Sauerstoffsättigung im kapillaren Blut, der so genannten „Pulsoximetrie“ verwendet wird. Im Rettungsdienst, auf Intensivstationen sowie in der Anästhesie ist die Pulsoxymetrie Teil des Standardmonitorings von Patienten. Zudem wird im Falle von Frühgeburten zur weiteren häuslichen Überwachung oft ein Überwachungsmonitor eingesetzt, der die Atemfrequenz, die Sauerstoffsättigung und den Puls anzeigt. Bei allen Neugeborenen wäre es laut Fachkreisen zudem ratsam ein Pulsoxymetrie-Screening auf kritische angeborene Herzfehler, anzubieten. Dabei wird im Alter von 24 bis 48 Stunden nach der Geburt ein Wert an einem Fuß des Neugeborenen gemessen und bei auffälligen Werten eine weitere Abklärung veranlasst.  Die Corona-Pandemie betrifft nicht nur Gesunde, sondern auch Menschen mit angeborenem Herzfehler und deren Familien. Die Verunsicherung unter ihnen ist groß, auch in Südtirol, wo jährlich rund 70 neue Fälle mit der angesprochenen Problematik konfrontiert werden.  Die Pandemie stellt Eltern herzkranker Kinder und Erwachsene mit angeborenem Herzfehler vor enorme Aufgaben mit vielen offenen Fragen zum richtigen Verhalten. Für welchen der ca. 40 angeborenen Herzfehler besteht beispielsweise bei einer Covid-19-Erkrankung ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei Intensivpflicht und künstlicher Beatmung – also wie gefährdet sind etwa Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit nur palliativ behandelten Herzfehlern, die nicht medizinisch heilbar sind, z. B. dem Einkammerherzen. Ist es des Weiteren sinnvoll, sein herzkrankes Kind vorsorglich – ohne jegliche Symptome einer Coronavirus-Erkrankung – einem Corona- oder Antikörpertest zu unterziehen? Und an welche Stellen können sich Risikogruppen im Falle des Fernbleibens von Schule, Ausbildung oder Arbeit wenden? Fragen über Fragen, die nun geklärt werden müssen. Kinder mit schweren angeborenen Herzfehlern haben heute in den meisten Fällen gute Aussichten, ein normales Leben führen zu können, das wurde Kinderherz-Präsident im internationalen Austausch via Zoom mit europäischen Kollegen im länderübergreifenden Zusammenschloss „Echdo“ zwar bestätigt. Tatsache ist und bleibt aber das vielerorts  deutlich präsente, erhöhte Risiko für eine verzögerte Entwicklung in Bezug auf Sprache, Motorik und Kognition. Bisher nahm an, dass die komplexen Herzoperationen, denen sich die Kleinen unterziehen müssen, den kindlichen Organismus stark belasten. Doch das scheint keine ausreichende Erklärung für die Entwicklungsverzögerungen zu sein. Neue Studien in Europa und Übersee zeigen nämlich unmissverständlich, dass bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern bereits im Mutterleib Veränderungen der Hirnstruktur auftreten können. Ob und wie sie sich auf die weitere Entwicklung auswirken, ist aber noch ungeklärt. Und hier muss man auf jeden Fall geschlossen dranbleiben, betont Seitz. Geplant sind vertiefende Forschungen, an denen man auch von Südtiroler Seite teilnehmen sollte, so der Verein.  Erhöhte, genaue Wachsamkeit, aber keine Panik, sollte die Devise lauten, so vertreten es die Vorstandsmitglieder von Kinderherz. Der Besuch von Kita/Kindergärten sowie die Teilnahme am Schulunterricht sind daher für Kinder und Jugendliche mit leichten angeborenen Herzfehlern die Teilnahme am Schulunterricht ausdrücklich anzuraten. Bei dieser jungen Patientengruppe überwiegen eindeutig die bekannten positiven Effekte des sozialen Miteinanders und des gemeinsamen Lernens für Gesundheit und Wohlbefinden gegenüber möglichen geringen Effekten einer Infektion mit dem Corona-Virus. Zu der Frage, ob es sich bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern ähnlich verhält, gibt es bislang nur wenige Fallberichte. Die Datenlage dazu erscheint demnach auch in Südtirol unzureichend. Kinderherz ist nichtsdestotrotz mit zahlreichen eigenen Angeboten für die Patienten aktiv. So in diesen Wochen beispielsweise, wo man versucht über ein spezielles Atemwegtraining mit der erfahrenen Physiotherapeutin Verena Mahlknecht aus Meran,  das online wöchentlich mit neuen Übungen bereichert wird, auf praktische Art gezielt den Gesundheitszustand der herzkranken Kinder, die oft ebenso erhebliche Beeinträchtigungen in der Atmung aufweisen, den betroffenen Familien zu helfen.

Auf dem beigelegten Bild: von links nach rechts: Wilma, Mutter von Laura Randi, Tanja Portesan (Freundin von Laura), Inge Stainer (Kinderherz), Ärztin für Pädiatrische Kardiologie am KH Bozen, Cristina Pedron, Helga Mössner (Kinderherz), Luca (Bruder von Laura Randi), Christian Parteli (Kinderherz), Marco (Vater von Laura Randi), Kinderherz-Präsident Ulrich Seitz