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Das Interview mit Günther Righi

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„Wie ein Kind, das seine ersten Schritte macht“

Günther Righi war ein geschwächter junger Mann mit zyanotischer Hautfarbe. Günther Righi 2 radelt, wandert, klettert durch die Bergwelt. Dazwischen liegt eine Herztransplantation. Chirurgisch ist das heute längst eine Routineoperation, vorausgesetzt, andere erklären sich zur Organspende bereit. Für Betroffene ist es wie ein Wunder.

Was bedeutet Sport für Sie?

Günther Righi: Alles. Ich bin überglücklich, wenn ich Sport betreiben kann. Heute nutze ich jede Gelegenheit dazu. Meine Kondition und Kraft steigern sich. Das ist ein gutes Gefühl.

Wann haben Sie mit Sport begonnen?

Nach der Transplantation. Am 13. Juli vor zwei Jahren, 2016, habe ich mit 44 Jahren ein neues Herz bekommen. Wer mich heute beim Biken, im Fitnessstudio, beim Klettern oder beim Kampfsport sieht, denkt wohl nicht daran, dass ich herztransplantiert bin.

Man sieht es Ihnen nicht an…

… das war nicht immer so. Als Kind wurde ich oft gehänselt: Ah, da kommt der lilablassblaue Waldgeist. Das war eine Katastrophe für mich, vor allem weil ja jeder wusste, dass ich einen Herzfehler hatte. Aufgrund einer Zyanose ist mir oft das Gesicht blau angelaufen und ich bin bei leichter Anstrengung sofort außer Atem geraten. Das ist die Folge, wenn das Blut mit zu wenig Sauerstoff versorgt wird. Aufgrund meines komplexen Herzfehlers war das sehr oft der Fall. Für mich war es normal, für andere nicht. Manche sind damit nicht zimperlich umgegangen.

Wann wurde ihr Herzfehler entdeckt?

Gleich nach der Geburt, ich war damals bei einer Ziehfamilie untergebracht. Da ich nicht zunahm und nach jeglicher Nahrungsaufnahme mich erbrechen musste, wurde ich ins Krankenhaus gebracht. Bei der ersten OP in Innsbruck war ich 13 Monate klein. Die Ärzte sind damals nicht davon ausgegangen, dass ich erwachsen werden würde.

Wann konnten sie sich nach der Transplantation 2016 zum ersten Mal bewegen?

Relativ schnell. Ich bin nur wenige Wochen nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus auf den Jaufenpass gefahren. Alleine. 43 Jahre lang hatte ich Ängste, Panikattacken. Und nun war es mir möglich, da oben allein zu sein. Dieses Gefühl war unbeschreiblich, ein Gefühl der Freiheit, einfach zu wissen ich habe es geschafft.

Ist die Lust auf Sport erst mit der Transplantation entstanden?

Ich war immer schon für Kampfsport zu begeistern. So habe ich auch 17 Jahre vor der Transplantation in dieser Sportart mit trainieren können. Es war ein glücklicher Zufall, einen Kampfsport-Fitnesstrainer kennen zu lernen, der mich langsam zu diesem Sport geführt hatte. Ich bin heute überzeugt ohne Sport hätte es mein eigenes Herz nicht so lange geschafft. Deshalb finde ich es äußerst wichtig, dass Herzpatienten Sport betreiben. Die Ärzte in Südtirol und in Innsbruck haben immer abgeraten, aber die in München haben meinen Eltern gesagt, ich könne ruhig Sport betreiben. Nur wussten sie nicht zu sagen, in welchem Ausmaß. Das, so sagten sie, müsste ich selbst einschätzen. Meine Zieheltern hatten zwar viel Angst um mich, ließen mich aber alles probieren. Die Ärzte im Herzzentrum München waren immer wieder davon erstaunt, wieviel ich schaffte. Der Motor dafür war mein Bewegungsdrang und mein Kopf, der mich nie aufgeben ließ. Ein Spruch den ich mir in meinem Leben immer wieder einprägte war: Ohne Kampf kein Sieg!

Sie haben die Auswirkungen Ihres Herzfehlers gut kompensieren können?

Ich denke eher, dass mein Preis diese zyanotischen Zustände war, für die ich angestänkert worden bin, als Kind, als Jugendlicher, als Erwachsener. Meine Ziehfamilie hat alles für mich getan, dass es mir gut geht – nicht nur in meiner Kind und Jugendzeit. Insgesamt bin ich fünfmal operiert worden, bis eine Transplantation unausweichlich wurde.

Wie hat sich das angekündigt?

Ich habe 1997 mit dem Kickboxen begonnen und habe irgendwann die Kinder und Jugend in Passeier trainiert. Ich wurde immer schneller müde und zyanotisch. Das ging bis 2011. Dann musste ich das Trainieren lassen.

Sie haben im Krankenhaus von Meran gearbeitet?

Ja, auch das war oft eine Qual. Die Turnusarbeit, im Winter die Kälte. Das schlimmste waren wohl die Blicke der anderen und nicht selten die Kommentare, die ich über mich ergehen lassen musste.

Sie wurden in München operiert?

Nein, in Padova. In München hat man mich 2015 für zehn Tage stationär aufgenommen, es hatte sich im ganzen Körper Wasser angesammelt und das Atmen fiel mir sehr schwer. Ich musste teilweise im Sitzen schlafen. Bis dahin ging ich weiterhin zur Arbeit und half, so gut es ging, im Haushalt mit den beiden Kindern. Nach den zehn Tagen führten meine damalige Frau und ich ein Gespräch mit dem Klinikdirektor. Er schilderte uns die Situation und sagte, es müssten das Herz und eine Lunge transplantiert werden. Dies würde ich allerdings nicht überleben. Mit der Aussicht wurde ich entlassen. Der Primar, der Kardiologie von Meran war es, der mich nach Padua überstellt hat. Im Spätherbst 2015 haben sie mich für sechs Wochen stationär aufgenommen und von Kopf bis Fuß untersucht. Die neue Diagnose: Es müsste lediglich das Herz transplantiert werden. Am 10. Dezember 2015 kam ich auf die Spenderliste. Sieben Monate später, am 12. Juli, erhielt ich um 19:50 Uhr den Anruf aus Padua, es stehe ein Herz zur Verfügung. Ich lag zu diesem Zeitpunkt bereits vier Monate in der Kardiologie im Krankenhaus von Meran.

Wie war es als der Anruf kam?

Ich habe immer gesagt, wenn der Anruf kommt, ist alles nur mehr halb so schlimm. Ich wurde mit der Ambulanz nach Padua überführt. Dort angekommen, fühlte ich mich aber allein. Vor allem wohl auch, wegen der Scheidung, die zu der Zeit im Gang war, und wegen meiner beiden Kinder, die ich natürlich Angst hatte, nie mehr wieder zu sehen. Es war inzwischen 23:50 Uhr. Bevor ich in den Operationssaal gebracht wurde, sagten mir die Krankenschwestern, sie lassen mich jetzt noch eine halbe Stunde allein. Mein bisheriges Leben ging mir noch einmal durch den Kopf, ich wusste nicht, ob ich mich freuen soll, weinen oder davonlaufen. Ich schrieb noch eine Mitteilung an die Patinnen unserer Kinder, sie möchten bitte, falls es nicht gut ausgeht, immer für sie da sein.

Erinnern Sie sich an den ersten Gedanken, als Sie nach der OP aufgewacht sind?

Ja. Der erste Blick traf den großen Monitor gegenüber von meinem Bett. Ich versuchte die Sauerstoff-Sättigung abzulesen, daran erkannte ich, dass die Transplantation gut gelaufen war. Früher hatte ich eine Sättigung von 70 Prozent, nun war diese über 90 Prozent, beinahe im Normbereich.

Wenn Sie mit dem Sport gleich angefangen haben, konnten Sie auch gleich wieder ihre Arbeit aufnehmen?

Das hat dann etwas gedauert, weil ich ständig zu Kontrollen fahren musste. Aber ich hielt mich an Orten auf, welche vorher nie möglich gewesen wäre. Immer wieder kam es mir vor, ich sei ein Kind, das seine ersten Schritte macht. Ein unglaubliches Gefühl, für das ich nicht nur einmal am Tag danke. Wieder zu arbeiten, darauf freue ich mich sehr – aber jetzt, wo ich alles tun kann, möchte ich eine neue Arbeit finden.

Was genau für einen Arbeitsplatz suchen Sie?

Ich stelle mich gerne neuen Herausforderungen. Ich bin handwerklich recht geschickt und habe einen guten Umgang mit Menschen: mal sehen. Ich lasse mich gerne überraschen und freue mich, was im Leben auf mich zukommt.